Als NRWSPD schauen wir auch auf die Menschen, die im Verborgenen arbeiten und so das Land am Laufen halten. Egal ob in der Produktion, in Bäckereien, in der JVA, bei der Feuerwehr oder in der Pflege – 5 Millionen Menschen arbeiten bundesweit auf Nachtschicht. Krankenpfleger Martin Beuchel ist einer von ihnen. Der 40-Jährige arbeitet seit 20 Jahren regelmäßig im Nachtdienst, aktuell in einem Altenheim der Johanniter in Köln. Drei bis viermal im Monat macht er Nachtschichten und arbeitet dann von 20:45 bis 06:45 Uhr.
Martin, Du arbeitest seit 20 Jahren im Nachtdienst. Was ist die absurdeste Geschichte, die du nachts im Altenheim erlebt hast?
Ich höre nachts, um mich beim Tablettensortieren besser konzentrieren zu können, gerne Horror-Hörbücher, beispielsweise von John Sinclair. Nun haben wir viele Bewohner, die nachts auch schon mal auf den Gängen unterwegs sind. Da gab es dann eine Situation, in der ich eine Szene über Poltergeister gehört habe und plötzlich gab es so Klopfgeräusche im Zimmer. Als ich mich umgedreht habe, stand ein Bewohner – weiß wie Kalk oder wie ein Poltergeist – hinter mir und fragte nach Essen. Da habe ich mich fürchterlich erschrocken.
Herumirrende Patient*innen sind bestimmt keine Seltenheit in deinen Nachtdiensten. Welche weiteren Besonderheiten gibt es bei dir in der Pflege?
Gerade mit den demenzkranken Bewohnern, die oft nachts wach sind und die man dann suchen muss, weil sie im Garten unterwegs sind, um ihr Haus oder ihre Ehepartner zu suchen. Und es gibt halt immer wieder auch Notfälle und dann ist man im Nachtdienst alleine oder maximal zu zweit. Da ist die Verantwortung einfach höher. Es kann ja auch sein, dass man zwei Notfälle gleichzeitig hat. Und man hat es immer mit Menschen zu tun. Ich kann nicht sagen: Dann stelle ich die Maschine halt ab und überlasse die Reparatur dem Tagdienst.
Welche Vorteile bringt die Nachtschicht mit sich?
Gerade für Mütter ist der Nachtdienst praktisch, denn sie können ihre Kinder nach der Schicht in den Kindergarten oder zur Schule bringen, selbst schlafen und haben dann trotzdem den Nachmittag gemeinsam.
Für mich zählt aber vor allem: Man arbeitet alleine und hat keinen Kontakt zu den Ärzten oder Angehörigen. Meistens ist man allein. Das heißt, man kann ganz in Ruhe arbeiten. Der Stress, der sonst der große Nachtteil der Pflege ist, fällt nicht an. Und persönlich betrachtet brauche ich die Abwechslung. Permanent nur eine Schicht wäre mir zu langweilig.
Welche Nachteile ergeben sich?
Es ist wirklich schwierig, eine Pause zu nehmen. Natürlich stehen uns 45 Minuten zu und ich könnte in der Zeit das Heim verlassen. Das ist aber praktisch überhaupt nicht möglich, wenn ich als einzige examinierte Fachkraft vor Ort bin.
Aber auch das private Leben lässt sich nicht gut mit dem Nachtdienst unter einen Hut bringen: Nach einer Nachtdienst-Woche bleibt einiges im Haushalt liegen. Und man kann sich abends nicht mit Freunden und Familie treffen. Die Uhrzeiten sind einfach ganz andere. Die Erholungszeiten sind auch anders: Wenn man um acht Uhr morgens ins Bett geht, schläft man nur so seine sechs bis maximal sieben Stunden. Länger als 15 Uhr geht das nie. Da leidet die Erholung.
Wie wirkt sich der Nachtdienst auf deine Gesundheit aus?
Je älter man wird, desto mehr Erholung braucht man nach den Nachtschichten. Das ist wie ein Jetlag. Auch nach 20 Jahren habe ich noch keine optimale Lösung gefunden. Es dauert nach einer Nachtschicht drei bis fünf Nächte um wieder in den normalen Schlafrhythmus zu kommen. Kollegen, die lange am Stück Nachtdienst machen, brauchen bis zu ein Jahr, um sich wieder auf den Tagdienst einzustellen.
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