Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Demokratinnen und Demokraten! Man nehme eine gesellschaftlich benachteiligte Gruppe, holt so ein paar verstaubte Ansichten aus dem letzten Jahrtausend hervor – wir waren gerade unfreiwillig Zeugen –, zitiert Mediziner im eigenen Antrag, die den aktuellen Stand der Forschung einfach ignorieren, benutzt so ein paar pseudoschlaue Wörter wie Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analoga – Herr Vincentz, Sie wissen es, das haben wir im ersten Semester Medizinstudium gelernt; ich nehme an, in Köln lernt man das Gleiche wie in Essen –
(Lachen von Dr. Martin Vincentz [AfD])
und mischt dies mit all dem Hass, der in einem steckt, aber auch der Angst davor, dass die vermeintlich beschworene Volksgemeinschaft kollabieren könnte, und heraus kommt solch ein Antrag der AfD-Fraktion.
Sie, Herr Vincentz, versuchen hier ja oft, sich als Urheber guter Ideen darzustellen. Aber in dem Fall bin ich überrascht, weil Sie gar nicht nennen, von wem Sie abgeschrieben haben. Nicht etwa von den Psychiatern – hier steht übrigens einer, und ich bin nicht Ihrer Auffassung.
Sie tun so, als ob alle dies so sehen würden. Nein, es gibt genau einen, und das ist Dr. Alexander Korte aus München. Sie nennen ihn auch deswegen nicht, weil dann jeder von uns ohne größeren Aufwand recherchieren könnte, dass Herr Dr. Korte ziemlich alleine in der Fachwelt dasteht. Selbst seine eigene Fachgesellschaft, die Sie in Ihrem Antrag anführen und deren Vorstand er auch angehört, hat gemeinsam mit 15 anderen medizinischen Fachgesellschaften an einer S3-Leitlinie – und S3 bedeutet die höchste Forschungsqualität, die es gibt – zur Geschlechtsdysphorie mitgewirkt und Folgendes festgestellt:
Erstens. Ein bedeutsamer Anteil der Betroffenen hat keine psychischen Störungen.
Zweitens. Psychotherapie soll demnach keinesfalls eine Voraussetzung für körpermodifizierende Behandlungen sein, jedoch selbstverständlich angeboten werden, wenn die Betroffenen es selbst wünschen, um die Symptome einer Geschlechtsdysphorie mindern zu können.
Und sehr wichtig: Jeder betroffene Mensch ist individuell und auch respektvoll zu behandeln, gerade bei dem Thema.
Die Fachwelt ist hier klar, die SPD-Fraktion ist hier klar: Es geht um die Minderung von Leid und um die Förderung der seelischen Gesundheit von Transmenschen, und dazu stehen wir auch.
Herr Vincentz, dies kann ich – wir sind ja beide Mediziner, haben wir öfter mal diese Diskussion; Sie sind Allgemeinmediziner – Ihnen aus meiner Berufstätigkeit in der Psychiatrie und Psychotherapie auch bescheinigen, weil ich mit diesen Menschen gearbeitet habe, aber auch ganz persönlich als Bruder eines Betroffenen.
Auch wenn wir diesen Antrag natürlich in den Fachausschuss überweisen, werden wir ihn dort mit vollster Überzeugung ablehnen, damit die betroffenen Menschen keine Angst vor Ihren Einstellungen und vor Ihrem Hass haben müssen und jede Chance auf ein glückliches und gesundes Leben bekommen.
Vielen Dank fürs Zuhören. Bleiben Sie gesund!